Von Annika Ebert
Die Glocken schlagen sieben Mal. Es sind nicht die Glocken der berühmten sieben Türme Lübecks. Es sind die Glocken, die einen Sieg beschwören sollen. Die Glocken der Hölle – ACDC: Hells Bells. Nebel steigt aus dem Tunnel der auf das Feld führt. 550 Zuschauer schwitzen auf der Tribüne der Lübecker Lohmühle . Sie feiern ihre Löwen. Berglöwen, um genau zu sein. Die Cougars-Stars laufen mit ihrer Flagge auf das Footballfeld. Zeit zugewinnen!
24 Grad, keine Wolke am Himmel. Leichter Wind. Lübeck blutet und schwitzt heute in rot-weiß. Zahlreiche Fans haben sich trotz Sommerhitze ins Stadion gesetzt um sie anzufeuern: die Zweitligisten in rot-weißen Trikots – die Lübeck Cougars. Für sie ist es heute das letzte Spiel vor der Sommerpause und doch geht es um alles. Sie wollen Krebse knacken. Cottbusser Krebse. Die Cottbus Crayfish. Was beim Training am Donnerstag noch spaßig und locker war, ist heute bittere Siegeslust. Es liegen zwar noch sieben Spiele der Saison vor ihnen, doch bis jetzt haben sie erst ein Spiel gewonnen, fünf verloren. In der Tabelle stehen sie auf dem vorletzten Platz. Das wollen sie ändern.
„Entweder man liebt es, oder man hasst es“
Anpfiff. Das Ei fliegt über den Platz. Tackles, Blocks und Passspiele beherrschen jetzt die Aufmerksamkeit der vier „Zebras“, Schiedsrichter in schwarzen Hosen und schwarz-weiß gestreiften Hemden. Zwölf Minuten pro Quarter, vier haben sie vor sich. Das vierköpfige Trainer-Team, darunter auch Head-Coach Willie J. Robinson aus Amerika, zittert am Spielfeldrand mit. Jeder Spielzug der Offense und Defense wird bis ins kleinste Detail und Schritt um Schritt begleitet. Unter ihnen auch die Teammanagerinnen Laura Woisin (23) und Jana Burde (39). Die Anspannung steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Die Bewegungen sind hektisch. Sie wollen einen Sieg und tun alles, um ihre Jungs dabei zu unterstützen. „Entweder man liebt es, oder man hasst es. Etwas dazwischen gibt es nicht“, erklärt die 23-Jährige Hamburgerin, die Augen lässt sie dabei nicht vom Spielfeld. Kleine Snacks in Form von Melonen, Äpfeln und Ananas, klein geschnitten, so dass sie zwischendurch auch mit Handschuhen genommen werden können, Wasserflaschen und genügend Eis zum Kühlen. Das sind nur einige Dinge, die sie vor Spielbeginn für die Berglöwen vorbereitet haben. Cougars bedeutet Familie. Man unterstützt sich auf und abseits des Spielfeldes, da sind sich alle einig.
Station für Footballtalente
Um erfolgreich in der German Football League (GFL) zu bleiben, haben die Lübecker investiert. Neben dem eingekauften Head-Coach Robinson sind weitere sechs Spieler in die Marzipan-Stadt importiert worden. College-Jungs. Footballtalente. Für ein Jahr oder länger sind sie nach Deutschland gekommen. Ihre Aufgabe: tägliches Trainieren im Gym, zweimal die Woche Training auf dem Platz. Am Wochenende dann das Team zum Sieg führen. Vier amerikanische Spieler, ein Engländer und ein Franzose bezogen ihre Betten in Lübeck und brachten internationales Flair mit. Gesprochen wird bei Training und Spiel überwiegend auf Englisch.
„Es geht jetzt um die scheiß Wurst“
Halbzeit: Der Geruch von kaltem Männerschweiß steigt beim Betreten derKabinen in die Nase. Jede Bewegung der Jungs lässt Schweißtropfen aus den durchnässten Haaren fallen. Ihre weißen Trikots könnte man auswringen, von den knielangen roten Hosen ganz zu schweigen. Die sperrigen „Shoulder Pads“ (Schulterpolster) haben sie mit ihren Helmen auf den Boden gelegt. Sie lehnen an den gelben Spinds oder stützen sich erschöpft auf die Knie. Zeit zur Erholung ist nicht. Schnell werden die Tapes an verletzungsanfälligen Stellen erneuert, Pflaster geklebt und Eisbeutel in den Nacken gehalten. Teambesprechung. „Es geht jetzt um die scheiß Wurst“, schreit „Stiefel“, Stephan Stursberg, die Offense Spieler an und verlangt für die nächsten effektiven 24 Minuten Spielzeit volle Aufmerksamkeit und ein aktives Spiel. Das Team bespricht die Spieltaktiken, sortiert die durch die Gegner erkannten Spielzüge aus. Dann folgt der Huddle. Alle legen ihre Hände aneinander. „1, 2, 3 Cougars!“ -Bis das Trommelfell platzt. Die Schultern sind wieder gestrafft, die Ausrüstung angezogen. Heimsieg – und zwar jetzt.
Touchdown Baby
Viertes Quarter, Jamie Dale mit der Nummer 4, importierter amerikanischer Runningback, macht einen von vier Touchdowns und holt den 30:9 Punktevorsprung. Bei seinem Teamkollegen Laurents Mohr, Nummer 11, ist die „Kriegsbemalung“ unter den Augen längst vom Schweiß verlaufen. Doch die schwarzen Streifen, die die Einstrahlung der Sonne direkt ins Auge verhindern sollen, haben ihr Werk getan. Der blonde, 1,90 Meter große Wide Reciver, also Passempfänger, setzte die Würfe seines Quarterbacks Zane Zebrasky in drei Touchdowns um und erzielte dadurch genügend Punkte, um die Cottbusser Krebse mit einem Spielstand von 31:15 nach drei dreiviertel Stunden Spielzeit nach Hause zu schicken. Die Lohmühle feiert. Die Fans stehen an der Spielfeldbegrenzung und wollen ihre Stars sehen. Die Couagrs laufen zu ihnen, klatschen ab. Freunde und Familie werden in die Arme genommen. Die „Glocken der Hölle“ haben sich nicht getäuscht: siegreich in die Sommerpause – good Job Cougars.